Diese Bilanzen waren für die Katz

Dass Katze sich beim Lesen der nachfolgend beschriebenen Fälle lieber nochmal die Decke über den Kopf ziehen möchte, ist verständlich. Allerdings zeigen die nachfolgenden Skandale jüngster Vergangenheit, dass Bilanzmanipulationen kein Phänomen vergangener Tage sind und ein Konzern es im Jahre 2017 sogar schaffte innerhalb weniger Tage ca. 85% seines Börsenwerts zu verbrennen. Aber lesen Sie selbst.

Sex sells? Anscheinend nicht immer so gut, wie der Fall Steinhoff zeigt

Einer der größten Bilanzskandale der vergangenen Jahre wurde im Dezember 2017 beim Steinhoff-Konzern bekannt. Die 1964 von Bruno Steinhoff gegründete Ein-Mann-Firma aus Niedersachsen entwickelte sich im Laufe der Jahre mit mehr als 40 Handelsketten, 130.000 Mitarbeitern und 12.000 Geschäften weltweit zum zweitgrößten Händler von Möbel- und Haushaltswaren hinter Ikea. In Deutschland warb TV-Blondine Daniela Katzenberger für Steinhoffs Möbeldiscounter Poco. Im Geschäftsjahr 2016 machte die Unternehmensgruppe 13,4 Mrd. Euro Umsatz – zumindest ging man bis Dezember 2017 von dieser Zahl aus. Doch dann verweigerte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, die Bilanz abzuzeichnen. Offenbar hatte der Konzern seine Zahlen frisiert und systematisch überhöhte Umsatzerlöse ausgewiesen. Auch die Geschäftsberichte für 2016 und 2015 wurden zurückgezogen.

Innerhalb von Tagen brach der Aktienkurs um rund 85 Prozent ein. Mehr als 10 Mrd. Euro Börsenwert lösten sich in Rauch auf. Die Geschädigten reichen vom Kleinanleger bis zur EZB, die im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms bei Steinhoff zugegriffen hatte. Mittlerweile beschäftigt der Wirtschaftskrimi Strafverfolger und Gerichte in Deutschland, Südafrika, Österreich und den Niederlanden. Und das Parlament in Kapstadt – denn auch Südafrikas staatlicher Pensionsfonds hat rund 1 Mrd. Euro Buchverlust erlitten.

Nach Auskunft des ARD-Börsenmagazins haben die Experten inzwischen mehr als 320.000 Dokumente überprüft und unzählige Gespräche mit den Beteiligten geführt. Steinhoff zufolge sind dabei bestimmte Muster bei Transaktionen festgestellt worden, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren dazu geführt hätten, dass Unternehmenswerte und Gewinne deutlich überhöht dargestellt wurden. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC rechnet am Jahresende 2018 mit Ergebnissen.

Hess AG – wenn die Pflichtmitteilung zum Verhängnis wird

Auslöser im Fall der Hess AG war eine Pflichtmitteilung aus dem Hause Hess: Es bestehe der Verdacht, dass mindestens seit 2011 die Umsätze fingiert und die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage zu positiv dargestellt worden sein sollen. Das sei mit Wissen des Vorstands geschehen. Als Konsequenz entließ der Aufsichtsrat fristlos die beiden Vorstände Peter Ziegler und Christoph Hess – ausgerechnet ein Mitglied der Gründerfamilie, die noch rund ein Drittel der Anteile hält. Neuer, alleiniger Vorstand wurde Till Becker.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelte wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation und Kapitalanlagebetrug durch falsche Angaben im Prospekt zum Börsengang. Die umstrittenen Konzernabschlüsse in dem Prospekt hat die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft dhmp aus Karlsruhe geprüft und bestätigt. Die Gesellschaft hat sich auf mittelständische Unternehmen und Familienbetriebe spezialisiert.[1]

Wenn der Flow raus ist

Flowtex, ein Unternehmen aus Baden-Württemberg, welches Horizontalbohrmaschinen vertrieb, manipulierte im Zeitraum von 1994 bis 1999 die Bilanz, indem nicht existierende Bohrmaschinen an eine Leasinggesellschaft verkauft wurden. Die Verkäufe wurden als Umsatzerlöse erfasst. Statt tatsächlich nur ca. 300 wurden in der Bilanz ca. 3.000 existierende Horizontalbohrmaschinen ausgewiesen. Der fiktive Kauf wurde von Banken finanziert. Wenn Bankmitarbeiter oder Wirtschaftsprüfer die Geräte sehen wollten, wurden die existierenden Maschinen immer wieder zwischen den Baustellen hin- und hergefahren. Lediglich die Nummern der Maschinen wurden ausgetauscht. Um nicht vorhandene Bankguthaben nachzuweisen, wurden auch Kontoauszüge gefälscht. Ebenso nicht gesehen wurde, dass der jährliche Bedarf derartiger spezieller Maschinen in Europa deutlich unter 3.000 lag.

Die aufgeführten Fälle jüngerer Bilanzmanipulationen zeigen, dass gesetzliche Regelungen und Vorschriften bewusste Bilanzfälschungen nicht verhindern können. Aufklärung kann helfen. Aber wie können Bilanzfälschungen früher erkannt werden? Die Hoffnung ruht auf Big Data! Denn während die Wirtschaftsprüfer aufgrund finanzieller und zeitlicher Restriktionen bislang stichprobenartig prüfen mussten, kann mit Big Data nun eine Vollprüfung erfolgen. Die Automatisierung eines Teils der Prüfung schafft Freiräume, sich auf die Prüfung komplexer Bilanzierungssachverhalte zu konzentrieren und sich intensiver mit den Schätzungen des Managements auseinanderzusetzen. Durch die Vollprüfung auf Plausibilität der Daten steigt das Risiko einer Aufdeckung deutlich an, womit sich der Anreiz zur Fälschung verringern mag. Allerdings setzt den zielgerichteten Einsatz von Big Data spezifische Kompetenzen in Bezug auf Statistik- und IT-Kenntnisse voraus und ist nur ein Hilfsmittel.

Dagegen kann durch einseitiges Auslegen von Ermessensspielräumen ein Bilanzbild „frisiert“ werden, dass es insgesamt den tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage nicht mehr entspricht, obwohl sich die Erstellverantwortlichen im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen. Diese Ermessenspielräume existieren auch nach Einführung des BilMoG weiter im deutschen Handelsrecht. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass der Bilanzierende mangels Objektivierbarkeit eine gewisse Bandbreite für Wertansätze zur Verfügung hat. Diese können mit der speziellen Situation des Unternehmens plausibel begründet werden. Beispiele für solche Ermessensspielräume sind etwa der Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen, die voraussichtliche Dauer einer Wertminderung, die Zurechnung eines Leasinggegenstands oder die Abgrenzung aktivierungsfähiger Entwicklungs- von Forschungskosten.[2]

Im letzten Blog Artikel haben wir bereits diskutiert, wo der Unterschied zwischen Bilanzmanipulation und -kosmetik liegt. Sollten Sie den verpasst, können Sie hier weiterlesen.

Quellen:
[1] https://boerse.ard.de/boersenwissen/anlegerschutz/hess-ergebnisse-in-millionenhoehe-korrigiert100.html

[2] Vgl. Schettler (2014), S. 237

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