Der folgende Artikel ist Teil unserer Blogartikel-Serie „Die Zukunft der Revision“.
Was der Grund für die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema ist?
Wir bei zapliance mit unserem Team aus Prüfern, Wissenschaftlern und Entwicklern haben in den letzten Jahren beobachtet, dass sich die Rahmenbedingungen für uns Revisoren rasant verändern.
So führt die stetig wachsende Menge an verfügbaren Daten dazu, dass eine ganzheitliche und valide Betrachtung der Risiken/Chancen-Perspektive ohne Unterstützung von Partnern innerhalb der Organisation immer schwerer wird. Das zwingt Revisoren dazu, ihr Stärken/Schwächen-Profil zu überdenken – denn die Zusammenarbeit mit Partnern erfordert persönliche Kompetenzen, auf die Revisoren bis dato in diesem Ausmaß nicht angewiesen waren (unseren Dachartikel, der die eben geschilderten Punkte noch detaillierter beschreibt finden Sie übrigens hier).
Unsere Blogartikel-Serie über individuelle Kompetenzen soll Revisoren nun unterstützen, bei sich selbst umzudenken, um in Zukunft noch erfolgreicher zu sein.
Probieren Sie es aus!
Mein Name ist Alexander Rühle, ich bin seit 2006 leidenschaftlicher Prüfer und mittlerweile schon über 5 Jahre Geschäftsführer von zapliance. Im vorliegenden Artikel möchte ich näher auf die sozialen Kompetenzen eingehen – ein Kompetenzbereich, der für den Prüfer der Zukunft enorm an Bedeutung gewinnen wird. Dazu gehören unter anderem Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Hilfsbereitschaft, Fairness, Kooperationsbereitschaft und Einfühlungsvermögen sowie Kommunikationsfähigkeit (siehe u.a. Mudra, 2004).
Sie sehen, es ist ein breites Feld an Kompetenzen. Um hier keinen nichtssagenden Überblick über die sozialen Kompetenzen im Allgemeinen zu liefern, sondern eine tiefergehende Auseinandersetzung mit ebendiesen zu ermöglichen, werde ich in diesem und in den nächsten Artikeln einzelne soziale Kompetenzen herausgreifen und diskutieren. Wichtig dabei: Anhand von praktischen Beispielen möchte ich nicht nur Schwierigkeiten aufzeigen, sondern vor allem Wege, wie jeder einzelne Revisor seine individuellen sozialen Kompetenzen stärken kann.
Immer wichtiger für den Revisor in der Zukunft: Die Meinung anderer zu berücksichtigen.
Für diesen Artikel habe ich mich für die Kompetenz, Meinungen von anderen akzeptieren und tolerieren zu können entschieden – eine Kompetenz, die in Anbetracht der zunehmenden Kooperation mit Partnern innerhalb der Organisationen, in denen wir arbeiten, immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Ein klassisches Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte: Bei der gemeinsamen Vorbesprechung einer Prüfung hört der Revisor dem Geschäftsführer der geprüften Einheit nicht richtig zu. Denn er ist eigentlich der Meinung, schon zu wissen, wie die Prüfung aussehen soll – schließlich hat er jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet. Was er dabei vergisst: Jede Prüfung muss auf die situativen Gegebenheiten angepasst werden. Und die kennen die Verantwortlichen vor Ort am besten. Geschieht dies nicht und der Revisor ist nicht in der Lage, den Ansatz des Auftraggebers zu akzeptieren bzw. in seiner Arbeit zu berücksichtigen, kann eine Prüfung schnell am eigentlichen Ziel vorbeischießen – und wenn überhaupt nur einen überschaubaren Mehrwert für den Auftraggeber bieten. Aktuelles Beispiel dazu gefällig: Wenn der Revisionsleiter sich im Zuge der Krise nicht der geprüften Einheit vor Ort anpasst, die beispielsweise bereits Kurzarbeit angemeldet hat oder er keine Rücksicht auf die derzeit absolut überlastete Personalabteilung nimmt, geht das mit hoher Wahrscheinlichkeit schief. Dann wird notgedrungen remote am Ziel vorbeigeprüft, statt im Vorfeld gemeinsam mit dem Auftraggeber und den Geschäftsführern vor Ort eine zielorientierte Lösung zu finden.
Was ich in den letzten Jahren gemerkt habe: Niemand ist davor gefeit, ein Besserwisser zu sein und andere Meinungen zu übergehen. Auch ich nicht. Dabei sind unterschiedliche Meinungen oder Kritik erst einmal nichts Schlechtes – vorausgesetzt, sie sind konstruktiv geäußert und nicht destruktiv. Denn sie haben in erster Linie das Ziel, ein Arbeitsergebnis zu verbessern. Aber wie kommt es eigentlich dazu, dass relevante Meinungen und Kritik von anderen immer wieder unberücksichtigt bleiben?
Privat wie beruflich gar nicht so einfach: Bei Kritik ruhig zu bleiben.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einer der wichtigsten Gründe dafür, andere Meinungen und Kritik nicht anzunehmen die Angst davor ist, als nicht kompetent wahrgenommen zu werden. Denn viele Menschen nehmen Kritik persönlich und fühlen sich dadurch bevormundet. Was man bei Kritik jedoch leicht vergisst: Es geht dabei um Kritik an der Sache und nicht an der Person. Und genau so sollten Sie sich in der Diskussion auch verhalten. Halten Sie sich vor Augen, dass es nicht um Sie selbst geht, sondern darum, gemeinsam in einer Diskussion eine noch bessere Lösung für ein Problem zu finden. Ein häufiger Fehler: Menschen gehen schnell in die Defensive und beginnen, ihre eigene Meinung sehr emotional zu verteidigen. Oder sie gehen direkt zum Gegenangriff über. Beides verhindert jedoch nicht nur eine sachliche Diskussion der Fakten, sondern lässt Sie im blödesten Falle auch noch als unprofessionell dastehen. Oder können Sie jemanden ernst nehmen, der schon bei kleinster Kritik laut wird und beginnt, sein Gegenüber persönlich anzugehen?
Sie merken schon: Es ist wichtig, sich in solchen Diskussionen nicht zu sehr von den eigenen Emotionen mitreißen zu lassen. Und diese Herausforderung beginnt schon, wenn das Gegenüber seine Meinung bzw. Kritik äußert. Hier gilt es, mit einer offenen Körperhaltung zu signalisieren, dass man konstruktive Kritik egal welcher Art schätzt. Denn verschränkte Arme haben eine klare Botschaft: Es ist mir egal, was Du denkst.
Außerdem wichtig: Halten Sie den Blickkontakt, hören Sie gut zu und nicken Sie hin und wieder um zu signalisieren, dass Ihnen die Meinung des anderen wichtig ist. Denn unabhängig davon, ob das Feedback von Kollegen ganz konkret bei der Erarbeitung einer besseren Lösung beiträgt oder nicht, gilt: Sobald Menschen merken, dass ihre Meinung nicht wertgeschätzt wird, ziehen sie sich zurück. Und damit gehen wichtige Ideen und Impulse verloren.
Heutzutage weit verbreitet: Zeitdruck.
Eine zweite Herausforderung dabei, die Meinung anderer zu akzeptieren ist neben der Angst, als nicht kompetent wahrgenommen zu werden die Ungeduld der Beteiligten einer Diskussion – geschuldet nicht zuletzt dem gestiegenen Zeitdruck, unter dem Revisoren heute stehen. So dauern Meetings mit mehreren Teilnehmern mit jeder neuen Meinung noch einmal länger und es wird weitere Zeit benötigt. Zeit, die Revisoren nicht haben und die dann möglicherweise nach einem anstrengenden 8-Stunden-Tag noch hinten dran gehängt werden muss.
Doch trotz allem Zeitdruck darf man nicht vergessen: Jeder relevante Einwurf, der unberücksichtigt bleibt, birgt die Gefahr, im späteren Verlauf eines Prozesses für Schwierigkeiten zu sorgen. Schwierigkeiten, die mit jeder fortschreitenden Woche aufwendiger zu lösen sind. Konkret bedeutet das: Je früher relevante Einwände ihren Weg in den Arbeitsprozess finden, desto einfacher ist es, notwendige Korrekturen vorzunehmen. Doch je länger gewartet wird, desto mehr Zeit und Geld wird aufgewendet werden müssen, um den Fehler zu korrigieren.
Deswegen ist es wichtig, auch unter Zeitdruck die Meinungen der anderen zu hören. Hier besonders wichtig: Lassen Sie den anderen ausreden – auch wenn es unter den Umständen manchmal schwer fällt. Doch nur so können Sie die geäußerte Meinung gänzlich erfassen und bewerten. Und auch wenn es den Unmut anderer Diskussionsteilnehmer auslösen kann: Fragen Sie bei Unklarheiten trotz Zeitdruck nach und lassen Sie es nicht zu Missverständnissen kommen – frei nach dem Motto „Better safe than sorry“.
Wichtig bei anderen Meinungen: Nicht von Titeln blenden lassen.
Ein dritter Punkt, der häufig verhindert, dass wichtige Meinungen gehört und richtig bewertet werden ist das Hierarchie-Denken. So laufen Revisoren Gefahr, in Diskussionen die Meinung von hierarchisch höher gestellten Kollegen als besser zu bewerten als die Meinung von Kollegen, deren Jobtitel kein „Senior Manager“ enthält. Das Problem dabei: Die Stufe auf der Karriereleiter hat häufig gar nichts damit zu tun, wie gut sich jemand mit einem speziellen Thema auskennt. Gerade Neueinsteiger haben zum Beispiel oft den Vorteil, dass sie noch nicht „betriebsblind“ sind und so wichtigen Input geben können – Input, der bei einem Fokus auf die Position verloren geht. Deshalb mein Tipp: Machen Sie sich von Hierarchie-Denken frei und geben Sie jedem Kollegen die Chance, Arbeitsprozesse mitzugestalten – vom Praktikanten bis in die Chefetage.
Als letzten Punkt, der die Berücksichtigung anderer Meinungen erschwert, möchte ich die Angst vieler vor Verwirrung nennen. So habe ich in Diskussionen immer wieder erlebt, dass Beteiligte aus Angst davor, ihren „roten Faden“ zu verlieren die Meinung anderer ignoriert haben. Dieser Punkt ist eng mit dem ersten Punkt – der Angst davor, als inkompetent wahrgenommen zu werden – verbunden.
Stellen Sie sich Ihre erste Prüfung als Prüfungsleiter in einer große Runde im Eröffnungsgespräch vor, in der Sie Ihren mühsam ausgearbeiteten Prüfungsplan vorstellen. Auch wenn die innere Anspannung mit zunehmender Arbeitserfahrung abnimmt ist nicht zu leugnen, dass eine solche Situation ein gewisses Level an Stress bedeutet. Wenn Sie dann also ihren Plan vortragen und schon nach den ersten fünf Minuten ein relevanter Einwand geäußert wird, ist die Gefahr groß, dass sie aus dem Konzept kommen und man ihnen für den Rest der Präsentation die Verwirrung anmerkt.
Notizen helfen dabei, sich nicht durcheinander bringen zu lassen.
Daher ganz wichtig: Bewahren Sie einen kühlen Kopf in stressigen Situationen. Notieren Sie andere Meinungen auf einem Zettel und kommen Sie nach ihrer Präsentation darauf zurück. So können Sie ihrem „roten Faden“ folgen und im Anschluss dann in Ruhe auf andere Meinungen eingehen. Das widerum gehört in den Bereich der Methodenkompetenz des Prüfers.
Wenn es Ihnen also gelungen ist, Kritik sachlich und nicht persönlich zu nehmen, ihrem Gegenüber auch unter Zeitdruck zuzuhören und seine Position zu verstehen, die Meinung von auf den ersten Blick weniger Qualifizierten anzuerkennen und sich obendrein von anderen Meinungen nicht verwirren zu lassen, dann sind Sie an einem Schlüsselmoment angekommen: Denn jetzt haben Sie die Möglichkeit die anderen Meinungen auf ihre Relevanz hin zu bewerten – rational und mit Sachverstand.
Sie sehen: Es gibt eine Menge Hindernisse bis zu diesem Punkt, die es zu überwinden gibt. Was Sie auf diesem steinigen Weg aber nicht vergessen dürfen ist, dass andere Meinungen und Kritik einen Arbeitsprozess meist deutlich mehr voranbringen, als Lob – auch wenn das deutlich einfacher zu verdauen ist.
Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz auf das eingangs geschilderte Beispiel des Revisors zurückkommen, der dem Geschäftsführer der geprüften Einheit bei der Vorbesprechung nicht zuhörte. Der Grund dafür könnte jeder der vier genannten Punkte sein – von der persönlichen Unsicherheit über den Zeitdruck bis hin zu Hierarchiedenken und der Angst vor Verwirrung. Aber egal was der Grund war, das Resultat ist immer das gleiche: Durch die fehlende Berücksichtigung relevanter Meinungen anderer entsteht dem Unternehmen, in dem wir arbeiten ein Schaden. Und das sollten wir nach bestem Wissen und Gewissen stets vermeiden – auch wenn das, wie dieser Artikel zeigt, nicht immer einfach ist.
Aber was denken Sie darüber? Schreiben Sie es uns unter den Artikel.
Viele Grüße,
Artikel aus der Reihe „Die Zukunft der Revision“ erscheinen alles zwei Wochen hier bei uns im Blog.
Quellen:
Mudra, P. (2004). Personalentwicklung: Integrative Gestaltung betrieblicher Lern- und Veränderungsprozesse. München: Verlag Vahlen